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Aktienrechtsrevision

Am 1. Januar 2023 trat das neue Aktienrecht in Kraft. Was ändert sich? Gibt es Handlungsbedarf? Welche Möglichkeiten bieten sich an?

Modernisierung der Generalversammlungen
Die Durchführung von Generalversammlungen wird dem Lauf der Zeit angepasst. Insbesondere durch die Verwendung elektronischer Mittel bei der Durchführung wurde das Aktienrecht modernisiert (vgl. Art. 701a ff. OR). Dies bedeutet konkret, dass Generalversammlungen an einem oder mehreren Tagungsorten durchgeführt werden können, sei es in der Schweiz oder im Ausland. Neu sind auch Generalversammlungen ohne Tagungsort auf rein digitale Weise oder in einer hybriden Form durchführbar. Zudem können Beschlüsse der Generalversammlung künftig auf schriftlichen Weg (als Korrespondenzbeschluss oder in elektronischer Form) gefasst werden (Art. 701 Abs. 3 OR). Voraussetzung dafür sind angepasste Statutenbestimmungen. Generell ist zu beachten, dass durch die Festlegung des Tagungsortes bzw. der Durchführungsform keinem Aktionär die Ausübung seiner Rechte im Zusammenhang mit der Generalversammlung in unsachlicher Weise erschwert werden darf. Da die technischen Anforderungen an die digital bzw. hybrid durchgeführte Generalversammlung hoch sind, wird in der Praxis die Durchführung solcher Generalversammlungen wohl nur bei einem überschaubaren Aktionärskreis Anklang finden.

 

Protokollierung
Es gelten neu gesetzliche Minimalvorschriften betreffend das Protokoll einer Generalversammlung (Art. 702 Abs. 2 OR). Dieses hat nebst den Beschlüssen und Wahlergebnissen unter anderem auch Ort, Datum, Uhrzeit von Beginn und Ende, Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der vertretenen Aktien sowie die Aktien, die von unabhängigen Stimmrechtsvertretern, Organstimmrechtsvertretern oder von Depotvertretern vertreten werden, aufzuzählen. Weiter sind die gestellten Begehren um Auskunft und darauf erteilte Antworten sowie die zu Protokoll gegebenen Erklärungen der Aktionäre zu protokollieren. Allfällige technische Probleme sind ebenfalls aufzuführen. Das Protokoll ist den Aktionären innerhalb von 30 Tagen nach der Generalversammlung zugänglich zu machen (Art. 702 Abs. 3 OR).

 

Kapitalvorschriften
Die bestehenden Kapitalvorschriften werden geändert. Neu sind alle Aktiennennwerte zulässig, wenn sie grösser als Null sind (Art. 622 Abs. 4 OR). Zudem kann das Aktienkapital auch auf eine für die Geschäftstätigkeit wesentliche Fremdwährung lauten (Art. 621 Abs. 2 f. OR). Die bisher komplizierten Vorschriften für beabsichtigten Sachübernahme bei der Gründung werden gänzlich aus dem Gesetz gestrichen, sodass die Vorschriften bei der Gründung erleichtert werden.

 

Kapitalband
Mit dem neuen Aktienrecht kann das Aktienkapital flexibler verändert werden. Dazu soll insbesondere die Schaffung des sogenannten Kapitalbands beitragen, das sich innerhalb einer gesetzlich festgelegten oberen und unteren Grenze bewegen darf (Art. 653s OR). Innerhalb von fünf Jahren entscheidet dann der Verwaltungsrat, wie sich das Kapital verändert. Von diesem Kapitalband können jedoch nur Aktiengesellschaften Gebrauch machen. Das Kapitalband ist bei GmbHs nicht möglich. Weiter wurden Anpassungen bei Kapitalveränderungen hinsichtlich Fristen und dem Schuldenruf gemacht. Der Schuldenruf muss neu nur noch einmal im Schweizerischen Handelsblatt publiziert werden.

 

Zwischendividenden
Künftig ist es möglich, dass Zwischendividenden ausgeschüttet werden (Art. 675a OR). Zwischendividenden werden vor allem bei Nachfolgeregelungen und beim Verkauf von Aktien dienlich sein.

 

Aktionärsrechte
Die Stellung des Aktionärs wird durch die Aktienrechtsrevision verbessert. Es werden die Schwellenwerte zur Ausübung der Aktionärsrechte (Auskunfts- und Einsichtsrecht) herabgesetzt, sodass ein Aktionär leichter zu Informationen gelangen kann. Zudem können auch Aktionäre mit geringer Aktienbeteiligungen die Einberufung einer Generalversammlung verlangen (Art. 699 OR) und eigene Traktanden und Anträge stellen (Art. 699b OR).

 

Finanznotlage
Zur finanziellen Führungsaufgabe des Verwaltungsrats gehört auch die Überwachung und Sicherstellung der Liquidität. Das wird neu im Gesetz ausdrücklich festgehalten (Art. 725 OR). Der Verwaltungsrat wird damit stärker in die Pflicht genommen und hat bei drohender Zahlungsunfähigkeit direkt Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft zu treffen. So hat er bei Kapitalverlust vor der Einberufung der Generalversammlung direkt den Revisor für die Prüfung der letzten Jahresrechnung zu ernennen (Art. 725a Abs. 2 OR). Diese Prüfung entfällt, sofern der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht (Art. 725a Abs. 3 OR). Neu kann die grundsätzliche Benachrichtigung des Gerichts bei Überschuldung unterbleiben, solange begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber binnen 90 Tagen nach Vorliegen eines geprüften Zwischenabschlusses, behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden (Art. 725b OR).

 

Genossenschaften
Zwecks Rechtssicherheit müssen Gründungen von Genossenschaften (Art. 829 OR) sowie spätere Statutenänderungen neu öffentlich beurkundet werden (Art. 838a OR). Gleichzeitig gelten für Genossenschaften künftig auch die Bestimmungen der Aktiengesellschaft bezüglich der Durchführung von virtuellen und hybriden Versammlungen.

 

Aktionärbindungsverträge
Die erfolgte Aktienrechtsrevision hat grundsätzlich keinen Einfluss auf bestehende Aktionärbindungsverträge. Der Gesetzgeber hat es leider unterlassen, eine gesetzliche Regelung von Aktionärbindungsverträgen zu schaffen. Dennoch kann die Anpassung der Statuten auf die geltenden neuen Bestimmungen ein willkommener Anstoss sein, (allenfalls längst überfällige) Anpassungen von Aktionärbindungsverträgen vorzunehmen.

 

Judith Andenmatten, Rechtsanwältin und Notarin

 

 

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